Zum Vorhaben des Heimat- und Geschichtsvereins, die Dokumentation der Jüdischen Friedhofs in Pappenheim wissenschaftlich aufzuarbeiten hat Alex Arndt vom Weißenburger Tagblatt ein Interview mit Professor Dr. Michael Brocke dem Direktor des Salomon Ludwig Steinheim-Instituts für deutsch-jüdische Geschichte in Essen auf dem jüdischen Friedhof in Pappenheim geführt. Das Interview wird hier mit freundlicher Genehmigung des Weißenburger Tagblatts veröffentlicht.
Der Jüdische Friedhof in Pappenheim
Einer der ältesten Orte
Interview mit Prof. Dr. Michael Brocke – Große Untersuchung angedacht
PAPPENHEIM – Der Jüdische Friedhof ist eine der ältesten Orte Pappenheims. Jetzt soll das Gräberfeld aus dem 14. Jahrhundert erstmals grundlegend untersucht werden. Dafür ist Professor Dr. Michael Brocke, deutscher Judaist und Direktor des Salomon Ludwig Steinheim-Instituts für deutsch-jüdische Geschichte in Essen, in diesen Tagen erstmals in Pappenheim. Dabei ist im Moment noch nicht klar, ob alles auch so funktioniert wie geplant. Der Heimat-und Geschichtsverein Pappenheim und Ortsteile benötigt als Initiator dieser Dokumentation Geld von der Stadt, deren Unterstützung dafür aber im Moment noch nicht gegeben ist.
Wie kommen Sie als Professor in Essen zum Jüdischen Friedhof in Pappenheim?
Professor Dr. Michael Brocke: Mir war Pappenheim bereits ein Begriff, da ich meine Karriere in Regensburg begann. Als Judaist ist man natürlich an jüdischen Friedhöfen und Ähnlichem interessiert. Außerdem haben wir bereits Ansbach und Bayreuth dokumentiert. Die Initiative ging dann vom Heimat-und Geschichtsverein aus.
Sie haben schon die ersten Eindrücke vor Ort gewonnen, was macht den Pappenheimer Friedhof denn historisch bedeutend?
Professor Brocke: Ein jüdischer Friedhof ist immer wichtig. Jüdische Friedhöfe sind oft deutlich älter als christliche. Eine Minderheit braucht ihren eigenen Boden und das zähe Beharren darauf, damit sie überlebt. Der Jüdische Friedhof ist neben der Burg eine der ältesten Institutionen in Pappenheim. Er ist Pappenheim’sches Erbe. Er erzählt die jüdische Geschichte, die innerjüdische, aber auch christliche Geschichte. Außergewöhnlich ist natürlich auch noch die Tatsache, dass Regensburg in Pappenheim begraben hat. Da stecken auch viele Geschichten dahinter.
Was erhoffen Sie sich, mit dieser Dokumentation zu zeigen?
Professor Brocke: Wir bringen die Steine zum Sprechen und holen alles heraus. Wir erklären all die Symbole und Informationen, die hier sind. Und die Ästhetik der Steine, die Schönheit, muss sichtbar gemacht werden.
Aber es gab doch in der Vergangenheit schon Dokumentationen?
Professor Brocke: Es gibt nur Teildokumentationen, keine ganze, sondern es wurden immer wieder nur Teile des Friedhofs bearbeitet, und da kamen unterschiedliche Dinge heraus. Wir sollen alles kritisch durchsehen, was bisher zum Jüdischen Friedhof gemacht wurde. Ich kann im Moment nicht beurteilen, was alles vorliegt.
Was werden Sie also tun?
Professor Brocke: Wir werden etwa 200 Grabsteine bearbeiten und dokumentieren. Das heißt, wir werden die Grabsteine säubern müssen fürs Fotografieren, dann das darauf Geschriebene abschreiben und das Hebräische editieren und übersetzen. Anschließend müssen wir die Zitate nachschlagen, die auf den Steinen geschrieben stehen, und wir werden das kommentieren, damit später Leute das anschauen können und etwas dazu lesen können. Und das ist dann alles digitalisiert. Die sind dann für jeden zugänglich.
Und wie lange dauert sowas dann?
Professor Brocke: Also wenn das zwischen 200 und 250 Grabsteinen sind, dann können wir das in ein oder zwei Jahren alles dokumentieren. Die meiste Arbeit wird dabei sein, die Fotografien aus den verschiedenen Teildokumentationen auszuwählen. Mal ist dieses Foto der einen Doku besser, mal das aus einer anderen. Für uns wäre es natürlich leichter, eine komplett einheitliche Dokumentation zu machen. Interessant wären einheitliche Fotografien auch. Aber wir machen das, was die Stadt Pappenheim wünscht.
Wie viel wird das denn vermutlich kosten?
Professor Brocke: Dazu kann ich nichts sagen, weil das im Moment noch zu ungewiss ist. Machen wir eine komplett eigene Dokumentation oder übernehmen wir aus den Teildokumentationen? Außerdem hatte ich sowas in dieser Art noch nicht.
Sie dokumentieren seit 30 Jahren jüdische Friedhöfe und sagen, Sie hatten so etwas noch nicht?
Professor Brocke: Ja, vor allem wie lang die hebräischen Schriften sind. Dazu ist die Dokumentation so unterschiedlich. Mal geht es, vom Foto aus die Schrift zu entziffern, mal sitzt jemand mehrere Stunden und Tage direkt vor einem Stein und hat Schwierigkeiten. Außerdem muss ich die Region hier kennenlernen, um den Dialekt zu verstehen. Die Leute schrieben früher zum Beispiel ja dann nicht „Heim“ sondern „Hem“ auf den Stein. Und auch die ganzen hier üblichen Abkürzungen kenne ich noch nicht.
Und was bringt Ihre Dokumentation der Stadt Pappenheim?
Professor Brocke: Ich denke, der Tourismus könnte davon profitieren. Pappenheim lebt vom Tourismus. Und das Interesse an älteren Friedhöfen wächst. Das ist Kulturtourismus. Die Leute interessieren sich mehr für die Kultur von Friedhöfen. Die Steine, die Kunst, das Design. Und die moderne Zweisprachigkeit ist auch interessant. Auf der hebräischen Seite eines Grabsteins steht anderes als auf der deutschen Seite. Das ist nicht einfach Wort für Wort übersetzt. Man könnte also diesen Friedhof mit anderen jüdischen Synagogen und Friedhöfen in der Region verknüpfen. Vielleicht könnte eine Art Tour entstehen.
Interview von ALEX ARNDT
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